Der Hausdrachen
Die erste Zimmerpflanze, die wir uns gemeinsam kauften, war ein Drachenbaum. Damals, vor dreissig Jahren, waren die Gärtnereien und Baumärkte, und somit auch die durchschnittlichen Wohnzimmer, vollgestopft mit Drachenbäumen und Birkenfeigen, oder Ficus-Benjamini, wie man diese fachgerecht nannte, wenn man sich mit einer gewissen botanischen Grundbildung brüsten wollte. Eine Bekannte, die ungefähr zur gleichen Zeit die Erleuchtung gefunden und sich seither intensiv mit der chinesischen Kunst des Feng-Shui auseinandergesetzt hatte, gab unserer Beziehung keine zwölf Monate, würde der Drachenbaum nicht aus unserem Leben verschwinden. Zu spitze Blätter, warnte sie, das fördere Aggression und Streitereien. Der Baum blieb im Wohnzimmer, zuerst in Blumenerde, später umgetopft in Hydrokultur, die Kollegin verschwand nach Asien, zuerst in ein buddhistisches Kloster, später in eine anonyme Grossstadtwohnung.
Nun mag ich von Mutter Natur das eine oder andere Talent in die Wiege gelegt bekommen haben, ein grüner Daumen gehört jedoch leider nicht dazu, und so schaffte ich es im Laufe der Zeit mit meiner Unbedarftheit, unseren Drachenbaum einmal schier zu ertränken und ein zweites Mal beinahe verdursten zu lassen. Andere hätten ihn längst weggeworfen und durch einen schönen, neuen, gesunden ersetzt, doch sie gab ihn nie auf, schaffte es stets, ihn wieder hinzukriegen und aufzupäppeln. Als durch mein übermotiviertes Wässern einmal der Stamm innerlich verfault war, kappte sie kurzerhand die Krone, stellte sie in einem Glas Wasser ans Fenster, bis ihr Wurzeln sprossen, und pflanzte sie alsdann liebevoll frisch ein. Sie kaufte speziellen Pflanzendünger, goss richtig dosiert und besprühte die Blätter regelmässig feucht.
Heute strotzt der alte Drachenbaum richtiggehend vor Kraft. Niemand würde auch nur im Entferntesten sein geradezu biblisches Alter erahnen. Sie dreht ihn von Zeit zu Zeit liebevoll um hundertachtzig Grad, damit er nicht einseitig in Richtung Tageslicht wächst, sie düngt ihn, giesst ihn, besprüht ihn, spricht mit ihm, gibt ihm genügend Raum und somit genau das, was er braucht, um weiter zu gedeihen.
Für mich ist unser alter Drachenbaum zu einem lieben Freund geworden, zu einem sicheren Wert in unserem Leben, und auch in bisschen zu einem Symbol für unsere Liebe. Denn auch die hat sich im Laufe der Jahrzehnte im einen oder anderen Sturm bewähren müssen, und genauso wie den Drachenbaum hat sie auch unsere Beziehung nie aufgegeben, sondern, wenn sie mal geknickt war, neue Wurzeln schlagen lassen, liebevoll neu eingepflanzt, sie gedüngt, ihr genügend Raum und Zeit gelassen, um sich neu zu entfalten und über die Jahre an Stärke zu gewinnen.
Mag sein, dass bei mir Alter und Sentimentalität Hand in Hand einher gehen, doch jedes Mal, wenn ich unseren gesunden Drachenbaum in seinem kraftstrotzenden Grün betrachte, wird mir warm ums Herz, macht es mich noch ein bisschen verliebter in sie, und zuweilen fühlt es sich in der Magengegend beinahe so an wie vor dreissig Jahren, als wir loszogen, um die erste Zimmerpflanze für unsere erste gemeinsame Wohnung zu kaufen.
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Nun mag ich von Mutter Natur das eine oder andere Talent in die Wiege gelegt bekommen haben, ein grüner Daumen gehört jedoch leider nicht dazu, und so schaffte ich es im Laufe der Zeit mit meiner Unbedarftheit, unseren Drachenbaum einmal schier zu ertränken und ein zweites Mal beinahe verdursten zu lassen. Andere hätten ihn längst weggeworfen und durch einen schönen, neuen, gesunden ersetzt, doch sie gab ihn nie auf, schaffte es stets, ihn wieder hinzukriegen und aufzupäppeln. Als durch mein übermotiviertes Wässern einmal der Stamm innerlich verfault war, kappte sie kurzerhand die Krone, stellte sie in einem Glas Wasser ans Fenster, bis ihr Wurzeln sprossen, und pflanzte sie alsdann liebevoll frisch ein. Sie kaufte speziellen Pflanzendünger, goss richtig dosiert und besprühte die Blätter regelmässig feucht.
Heute strotzt der alte Drachenbaum richtiggehend vor Kraft. Niemand würde auch nur im Entferntesten sein geradezu biblisches Alter erahnen. Sie dreht ihn von Zeit zu Zeit liebevoll um hundertachtzig Grad, damit er nicht einseitig in Richtung Tageslicht wächst, sie düngt ihn, giesst ihn, besprüht ihn, spricht mit ihm, gibt ihm genügend Raum und somit genau das, was er braucht, um weiter zu gedeihen.
Für mich ist unser alter Drachenbaum zu einem lieben Freund geworden, zu einem sicheren Wert in unserem Leben, und auch in bisschen zu einem Symbol für unsere Liebe. Denn auch die hat sich im Laufe der Jahrzehnte im einen oder anderen Sturm bewähren müssen, und genauso wie den Drachenbaum hat sie auch unsere Beziehung nie aufgegeben, sondern, wenn sie mal geknickt war, neue Wurzeln schlagen lassen, liebevoll neu eingepflanzt, sie gedüngt, ihr genügend Raum und Zeit gelassen, um sich neu zu entfalten und über die Jahre an Stärke zu gewinnen.
Mag sein, dass bei mir Alter und Sentimentalität Hand in Hand einher gehen, doch jedes Mal, wenn ich unseren gesunden Drachenbaum in seinem kraftstrotzenden Grün betrachte, wird mir warm ums Herz, macht es mich noch ein bisschen verliebter in sie, und zuweilen fühlt es sich in der Magengegend beinahe so an wie vor dreissig Jahren, als wir loszogen, um die erste Zimmerpflanze für unsere erste gemeinsame Wohnung zu kaufen.
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