«Sport im Allgemeinen macht giggerig»
VON YANN SCHLEGEL
Neuendorf – Im Podiumsgespräch «Spitzensport – danach» sprachen Ehemalige über Velosexualität und ein Stickereigeschäft
Klingende Namen der Schweizer Sportwelt erzählten in der Dorfhalle Neuendorf ihre Lebensgeschichte zum Thema: «Spitzensport - danach». Anita Weyermann, Donghua Li und Dieter Runkel stellten sich im vom Faustballklub Neuendorf organisierten Podiumsgespräch den Fragen von Meinrad Kofmel.
«In meinem Zeugnis stand beim Fach Turnen «besucht», und zuhause verfüge ich noch über ein verbleichtes Kupferabzeichnen aus dem Schwimmunterricht», dies das Palmares von Meinrad Kofmel, der sich am Samstagabend mit ehemaligen Schweizer Sportgrössen auf eine Diskussion zu ihrem Leben nach dem Sport einliess. Trotz, oder gerade wegen Kofmels Distanz zum Sport, entstand ein interessantes Gespräch, das Einblick in das Leben ehemaliger Spitzensportler gewährte.
Ein Leben geprägt von Disziplin, nicht aber von Verzicht, waren sich Dieter Runkel und Anita Weyermann einig. «Wer nicht mit hundertprozentiger Leidenschaft Spitzensport betreibt, muss aufhören», so Weyermann. Runkel meinte er würde sich wieder für eine Sportkarriere entscheiden, aber die Planung professioneller angehen. «Ich war nicht immer so «Velosexuell», wie ich hätte sein sollen», seine Aussage, die den Saal zum Lachen brachte. Kofmel antwortete darauf, der Blick habe einmal getitelt, Velofahren mache
«giggerig». Runkel berichtigte: «Sport macht «giggerig».
Donghua Li’s Lebensgeschichte
Anita Weyermann wendete zu ihren Spitzenzeiten jeden Tag mehrere Stunden für den Laufsport auf. Donghua Li schuftete bereits als 16-jähriger Junge Tag für Tag rund zehn Stunden an den Kunstturngeräten in der Halle. Und Dieter Runkel bewältigte pro Jahr über 35 000 Kilometer auf dem Velosattel. Alle Drei lebten sie für und von ihrem Sport und erlangten Edelmetall an Weltmeisterschaften, respektive Olympischen Spielen (siehe Kasten).
Besonders gespannt hörten die zahlreichen Zuhörer zu, als Li seine Lebensgeschichte schilderte. «Durch einen Zufall bin ich als 7-Jähriger zum Turnsport gekommen», berichtete er. Bereits mit elf Jahren trainierte Li in einem Internat vier Stunden pro Tag – als 16-jähriger wurde er in die chinesische Nationalmannschaft aufgenommen. Heldenstatus erlangte Li vier Jahre später mit dem Gewinn des chinesischen Meistertitels am Pauschenpferd, der ihm einen gesicherten Lohn sowie eine Wohnung bescherte.
Trotzdem verliess Li, der Liebe zu einer Schweizerin wegen, 1989 China und erreichte nach neun Tagen Zugfahrt die Schweiz. «Damals musste ich harte Zeiten durchleben. Ich spürte starke Abneigung und lebte fünf Jahre am Limit, bis ich den Schweizer Pass erhielt», schilderte Li. Zwei Jahre nach seiner Einbürgerung erfüllte sich Li mit Olympiagold in Atlanta seinen grössten Traum.
Die Berner Oberländerin Anita Weyermann – für ihren Satz: «gring ache u seckle» bekannt – sagt rückblickend, sie sei fast «krankhaft ehrgeizig» gewesen. Sie habe immer jemanden gebraucht, der sie bändigte. Ihr Vater habe ihr vor Wettkämpfen gesagt: «Du wersch de ned gmezget wes ned guet chonnt». Lange konnte sich Weyermann nicht auf einen Sport fokussieren, so fuhr sie etwa in jenem Jahr, in welchem sie Junioren-Weltmeisterin über 1500 Meter wurde, im Winter noch FIS-Skirennen.
Neue Herausforderungen im Leben
Runkel, seit 14 Jahren in Neuendorf wohnhaft, führt heute ein Stickereigeschäft und kommt kaum mehr dazu, aufs Fahrrad zu steigen, obwohl er es gern öfters täte. Ganz anders Li, er benutzt den Turnsport als Ausgleich zu seinen Tätigkeiten als Verwaltungsrat in mehreren chinesischen Immobilien- und Pharmaunternehmen.
Dass Li trotz seiner 45 Jahre noch in bester Verfassung ist, bewies er am Ende der Diskussion mit einer eindrücklichen Kostprobe seines Könnens. Auch Weyermann zeigte sich von Lis Darbietung beeindruckt und sagte zu Kofmel: «Li würde heute noch gewinnen.» Als der Moderator Li mit Weyermanns Aussage konfrontierte, meinte dieser: «Ich habe mir überlegt in den Spitzensport zurück zu kehren, doch der Aufwand wäre zu gross». Weyermann ihrerseitskann heute nicht ohne Bewegung sein, weshalb sie neben ihrer Tätigkeit beim Radio Berner Oberlands oft noch «Seckle» geht.
Ihre Erfolge
Anita Weyermann
1994 Junioren-Weltmeisterin, 1500m
1996 Junioren-Weltmeisterin, 3000m
1997 3. Rang WM über 1500m
1999 Cross-Europameisterin & Schweizer Sportlerin des Jahres
Donghua Li
1995 Weltmeister Pferdpauschen
1996 Europameister Pferdpauschen
Zwei Mal Schweizermeister Mehrkampf
1996 Olympia-Sieger am Pferdpauschen (Atlanta) & Schweizer des Jahres
Dieter Runkel
1992 GP Tell-Sieger
1993 Tour de France 131. Rang
1995 Radquer-Weltmeister
Fünf Mal Radquer-Schweizermeister(YS)
OLTNER TAGBLATT, 5. September 2011
Neuendorf – Im Podiumsgespräch «Spitzensport – danach» sprachen Ehemalige über Velosexualität und ein Stickereigeschäft
Klingende Namen der Schweizer Sportwelt erzählten in der Dorfhalle Neuendorf ihre Lebensgeschichte zum Thema: «Spitzensport - danach». Anita Weyermann, Donghua Li und Dieter Runkel stellten sich im vom Faustballklub Neuendorf organisierten Podiumsgespräch den Fragen von Meinrad Kofmel.
«In meinem Zeugnis stand beim Fach Turnen «besucht», und zuhause verfüge ich noch über ein verbleichtes Kupferabzeichnen aus dem Schwimmunterricht», dies das Palmares von Meinrad Kofmel, der sich am Samstagabend mit ehemaligen Schweizer Sportgrössen auf eine Diskussion zu ihrem Leben nach dem Sport einliess. Trotz, oder gerade wegen Kofmels Distanz zum Sport, entstand ein interessantes Gespräch, das Einblick in das Leben ehemaliger Spitzensportler gewährte.
Ein Leben geprägt von Disziplin, nicht aber von Verzicht, waren sich Dieter Runkel und Anita Weyermann einig. «Wer nicht mit hundertprozentiger Leidenschaft Spitzensport betreibt, muss aufhören», so Weyermann. Runkel meinte er würde sich wieder für eine Sportkarriere entscheiden, aber die Planung professioneller angehen. «Ich war nicht immer so «Velosexuell», wie ich hätte sein sollen», seine Aussage, die den Saal zum Lachen brachte. Kofmel antwortete darauf, der Blick habe einmal getitelt, Velofahren mache
«giggerig». Runkel berichtigte: «Sport macht «giggerig».
Donghua Li’s Lebensgeschichte
Anita Weyermann wendete zu ihren Spitzenzeiten jeden Tag mehrere Stunden für den Laufsport auf. Donghua Li schuftete bereits als 16-jähriger Junge Tag für Tag rund zehn Stunden an den Kunstturngeräten in der Halle. Und Dieter Runkel bewältigte pro Jahr über 35 000 Kilometer auf dem Velosattel. Alle Drei lebten sie für und von ihrem Sport und erlangten Edelmetall an Weltmeisterschaften, respektive Olympischen Spielen (siehe Kasten).
Besonders gespannt hörten die zahlreichen Zuhörer zu, als Li seine Lebensgeschichte schilderte. «Durch einen Zufall bin ich als 7-Jähriger zum Turnsport gekommen», berichtete er. Bereits mit elf Jahren trainierte Li in einem Internat vier Stunden pro Tag – als 16-jähriger wurde er in die chinesische Nationalmannschaft aufgenommen. Heldenstatus erlangte Li vier Jahre später mit dem Gewinn des chinesischen Meistertitels am Pauschenpferd, der ihm einen gesicherten Lohn sowie eine Wohnung bescherte.
Trotzdem verliess Li, der Liebe zu einer Schweizerin wegen, 1989 China und erreichte nach neun Tagen Zugfahrt die Schweiz. «Damals musste ich harte Zeiten durchleben. Ich spürte starke Abneigung und lebte fünf Jahre am Limit, bis ich den Schweizer Pass erhielt», schilderte Li. Zwei Jahre nach seiner Einbürgerung erfüllte sich Li mit Olympiagold in Atlanta seinen grössten Traum.
Die Berner Oberländerin Anita Weyermann – für ihren Satz: «gring ache u seckle» bekannt – sagt rückblickend, sie sei fast «krankhaft ehrgeizig» gewesen. Sie habe immer jemanden gebraucht, der sie bändigte. Ihr Vater habe ihr vor Wettkämpfen gesagt: «Du wersch de ned gmezget wes ned guet chonnt». Lange konnte sich Weyermann nicht auf einen Sport fokussieren, so fuhr sie etwa in jenem Jahr, in welchem sie Junioren-Weltmeisterin über 1500 Meter wurde, im Winter noch FIS-Skirennen.
Neue Herausforderungen im Leben
Runkel, seit 14 Jahren in Neuendorf wohnhaft, führt heute ein Stickereigeschäft und kommt kaum mehr dazu, aufs Fahrrad zu steigen, obwohl er es gern öfters täte. Ganz anders Li, er benutzt den Turnsport als Ausgleich zu seinen Tätigkeiten als Verwaltungsrat in mehreren chinesischen Immobilien- und Pharmaunternehmen.
Dass Li trotz seiner 45 Jahre noch in bester Verfassung ist, bewies er am Ende der Diskussion mit einer eindrücklichen Kostprobe seines Könnens. Auch Weyermann zeigte sich von Lis Darbietung beeindruckt und sagte zu Kofmel: «Li würde heute noch gewinnen.» Als der Moderator Li mit Weyermanns Aussage konfrontierte, meinte dieser: «Ich habe mir überlegt in den Spitzensport zurück zu kehren, doch der Aufwand wäre zu gross». Weyermann ihrerseitskann heute nicht ohne Bewegung sein, weshalb sie neben ihrer Tätigkeit beim Radio Berner Oberlands oft noch «Seckle» geht.
Ihre Erfolge
Anita Weyermann
1994 Junioren-Weltmeisterin, 1500m
1996 Junioren-Weltmeisterin, 3000m
1997 3. Rang WM über 1500m
1999 Cross-Europameisterin & Schweizer Sportlerin des Jahres
Donghua Li
1995 Weltmeister Pferdpauschen
1996 Europameister Pferdpauschen
Zwei Mal Schweizermeister Mehrkampf
1996 Olympia-Sieger am Pferdpauschen (Atlanta) & Schweizer des Jahres
Dieter Runkel
1992 GP Tell-Sieger
1993 Tour de France 131. Rang
1995 Radquer-Weltmeister
Fünf Mal Radquer-Schweizermeister(YS)
OLTNER TAGBLATT, 5. September 2011