Bernhard «Berni» Schär, Sportmoderator und Tennisexperte
Der Radio-Aktivmann
Er besitzt eine der markantesten Radiostimmen der Schweiz. Mit seinen Berichten malt er lebendige Bilder auf die geistige Leinwand seiner Zuhörerschaft. Bernhard Schär weiss seine Sätze mit blumigen Adjektiven zu schmücken wie Emmentaler Landfrauen die Fenster ihrer imposanten Höfe mit üppigen Geranien. Das Sportwissen des Vollblut-Journalisten erreicht enzyklopädische Dimensionen. Zusammen mit der Gabe, sich auf sein Gegenüber einzulassen, ohne sich anzubiedern, macht ihn dies zu einem hervorragenden Interviewer. Den Beweis dafür trat er schon mehrfach bei JURA in Gesprächen mit Roger Federer an.
«Ich bin ein Informationssüchtiger, oder etwas positiver formuliert: Ich habe einen unstillbaren Informationshunger.»
Vom Himmel fällt ein leichter Nieselregen, Zürich präsentiert sich Grau in Grau. Das satte Rot im grossen Logo, das stolz an der Fassade des Radiostudios an der Brunnenhofstrasse prangt, setzt den einzigen Farbtupfer in der Szenerie. Doch als er das Personalrestaurant betritt, geht die Sonne auf. «Er» ist Bernhard Schär. Seine prägnante Stimme mit der unnachahmlichen Sprachmelodie ist sein Markenzeichen. Sie hat Ecken und Kanten, die er, ihr Besitzer, mit der Virtuosität eines Opernsängers zu modulieren weiss. Man kann Schär nicht nicht zuhören. Seit bald dreissig Jahren gehören seine pointierten, mit Eloquenz vorgetragenen Reportagen, Kommentare und Analysen zur Schweizer Rundfunklandschaft. «Berni» ist Kult, seine Arbeit Kulturgut. «Ich liebe meinen Beruf heute genau gleich wie am ersten Tag», versichert er glaubwürdig, «entsprechend gehe ich stets mit Freude und Begeisterung zur Arbeit.» Deshalb springt bei seinen Reportagen auch stets der Funke über, elektrisiert sein Enthusiasmus die Hörerschaft an den Lautsprechern.
Eine Karriere als Sportjournalist hatte der junge Schär nicht geplant. «Ich war der festen Überzeugung, als Mathematiklehrer am Gymnasium meine Berufung gefunden zu haben, genoss es, in jungen Menschen die Faszination für Zahlen zu wecken», erinnert sich der Radiomann. «Meine Passion, für Zuschauerinnen und Zuschauer die Geschehnisse einer Sportveranstaltung zusammenzufassen, ihnen die Athletinnen und Athleten näherzubringen, durfte ich als Speaker am GP Bern ausleben.» Bei dieser Gelegenheit wurde das Radio auf das Ausnahmetalent aufmerksam und bat Bernhard Schär um Sportberichterstattungen fürs Regionaljournal. «Das war eine grandiose Aufgabe, aber auch gleichzeitig eine, an die ich mit sehr viel Respekt und Fingerspitzengefühl heranging», erinnert er sich. «Die Helden meiner Jugend waren Reporterlegenden wie Jean-Pierre Gerwig, Vico Rigassi, Sepp Renggli oder Gody Baumberger. Charaktere, die riesige Fussstapfen in der Radiolandschaft hinterlassen hatten. Ihnen hing ich stundenlang fasziniert an den Lippen. Dank ihrer Kommentare nahmen Sportevents in meinem Kopf Gestalt an, fieberte ich mit und platzte oft schier vor Spannung.» Kein Wunder, hatte sich Schär als Kind intensiv mit den Herren auseinandergesetzt und sie oft, zur Verblüffung seines Publikums, vor Familie und Freunden vortrefflich imitiert. «Gerade deshalb war mir von Anfang an klar, dass ich mir selber treu bleiben und meinen eigenen Stil entwickeln musste.» Und dies gelang ihm so überzeugend, dass sich bald der Sportchef des Schweizer Radios bei ihm meldete und fand, er gehöre nicht in die Region, sondern aufs nationale Parkett. «Nach reiflicher Überlegung und einigen schlaflosen Nächten rang ich mich zum Entscheid durch, dem sicheren Lehrerberuf zugunsten einer Herausforderung, wie sie sich einem im Leben höchstens ein einziges Mal bietet, Adieu zu sagen.» Diesen Entschluss sollten weder er noch seine Hörer je bereuen.
Nach dem Geheimnis der Authentizität seiner Berichte gefragt, nennt Bernhard Schär die für ihn wichtigsten Punkte: «Einerseits ist es akribische Vorbereitung. Ich setze mich laufend intensiv mit der Materie auseinander. Ich bin ein Informationssüchtiger, oder etwas positiver formuliert: Ich habe einen unstillbaren Informationshunger. Ohne News würde ich in den Ferien am Strand von Kalabrien total hibbelig. Dank moderner Kommunikationsmittel bleibe ich aber stets à jour.
In meiner Freizeit memoriere ich strukturiert Daten und Fakten, die ich bei Bedarf abrufen kann. Für mich ist das Gehirn der beste aller Computer. Es kann überall eingesetzt werden, braucht weder Ladekabel noch Strom – nur Daten. Und damit füttere ich es regelmässig. Zweitens ist es eine Grundbegeisterung, die mir in die Wiege gelegt wurde. Ich habe das Glück, einen Beruf ausüben zu dürfen, der mir grösstes Vergnügen bereitet: Ich berichte über Themen, die mir Spass machen, in einem Medium, das es immer geben wird. Hier und jetzt wage ich die Behauptung: Das Radio wird nie sterben. Und schliesslich ist es eine Kombination aus absoluter Konzentration und Spontaneität. Meine Moderationen sind nie abgelesen, sondern entstehen immer aus dem Moment. Das funktioniert aber nur, wenn ich im Moment, in dem ich auf Sendung gehe, zu hundert Prozent fokussiert bin und meine Gedanken allein um das entsprechende Thema kreisen. So verfüge ich über die Möglichkeit, flexibel auf bestimmte Aspekte einzugehen, Anekdoten einzuflechten und mit meiner Stimme zu spielen.» Genau diese Stärken weiss der grosse Kommunikator mit den wachen Augen und der offenen Art meisterlich einzusetzen. «Sehr wichtig ist aber auch, dass man am Ort des Geschehens ist. Nur so ist es möglich, Menschen zu porträtieren. Ich bin die Augen und die Ohren meiner Hörerinnen und Hörer. Deshalb habe ich den Anspruch an mich, sie quasi akustisch bei der Hand zu nehmen und ihnen das Gefühl zu vermitteln, ebenfalls live vor Ort zu sein.»
«Beim ersten Interview wurden mir sofort zwei Dinge klar: Da stimmt die Chemie, und von diesem Jungen werden wir noch ganz viel zu sehen bekommen.»
Die Verbreitung von Informationen stellt einen Teil von Schärs Beruf dar. Ihm voraus geht deren Beschaffung. Und auch in diesem Feld hat er es über die Jahre zur Meisterschaft gebracht. Wie schafft er es, dass ihm seine Interviewpartner so viel Vertrauen schenken? «Respekt, Fairness und Würde», ist Bernhard Schär überzeugt. Und tatsächlich: In einer Zeit, in der das Bashing in vielen Medien zum guten Ton gehört, setzt Schär mit Empathie und Sympathie willkommene Kontrapunkte. Er schafft Nähe, ohne sich aufzudrängen, verfügt über ein feines Sensorium dafür, wie weit er mit seinen Fragen gehen darf, ohne sein Gegenüber in die Ecke zu drängen oder zu brüskieren. Wer überhebliche, zynische Kommentare sucht, wird bei «Berni» nicht fündig, denn dieser liefert respektvolle Analysen. Hintergründe statt Abgründe. Das schätzen Sportlerinnen und Sportler an ihm, und vielleicht lassen sie ihn gerade deshalb tiefer in ihre Gefühlswelt blicken. Schärs Berichte sind stets Geschichten von und über Menschen, Menschen mit Stärken und Schwächen, mit guten und mit schlechten Tagen. «Die eine Seite des Sports sind das Spektakel, die Spannung, das Drama, die Triumphe und Niederlagen. Auf der anderen Seite lehrt uns der Sport Demut und viel über den Umgang mit anderen und mit uns selbst», ist Schär überzeugt.
Seine beiden übergeordneten Themen sind Tennis im Sommer und Ski im Winter. Aus welchem Grund fühlt er sich in diesen Sportarten besonders zu Hause? «Man spricht nicht vergeblich vom Tennis-Zirkus und vom Ski-Zirkus. Es gibt in diesen Sportarten keine grossen Fluktuationen innerhalb der Top 100. Die jeweiligen Protagonisten treffen sich immer wieder und wachsen beinahe zu grossen Familien zusammen, die von einem Austragungsort zum nächsten fahren, um sich dort mit Höchstleistungen zu messen. Das kommt mir von der Konstellation her sehr entgegen, denn ich bin ein ausgesprochener Familienmensch. Zu Hause komme ich zur Ruhe, aus Gesprächen mit meiner Frau und meinem Sohn schöpfe ich Kraft.»
Highlights durfte er in seinem Beruf viele live miterleben. Seine Quelle an Geschichten und Anekdoten sprudelt permanent. Er erzählt von unerwarteten Olympiasiegern oder von Weltmeistern, die ihr Glück kaum zu fassen vermochten, und von Fixsternen, von deren Strahlkraft er seit ihrem Aufgang berichten durfte bzw. darf. So zum Beispiel Carlo Janka, Didier Cuche oder: «Roger Federer. Ich kann mich noch gut an die erste Begegnung mit ihm erinnern. Ich traf ihn am Rande des Fed-Cup in Genf. Er war damals 17, hatte gerade das Junioren-Turnier von Wimbledon und den Orange Bowl gewonnen. Beim ersten Interview wurden mir sofort zwei Dinge klar: Da stimmt die Chemie, und von diesem Jungen werden wir noch ganz viel zu sehen bekommen. Mein Gefühl trog mich nicht.» Kommt man auf Federer zu sprechen, spürt man, dass der Radiomann nicht nur Journalist, sondern auch Bewunderer ist. Was geht also in ihm vor, wenn Roger Federer in einem epochalen Match über fünf Sätze gehen muss und bis zum Matchball alles offen bleibt? «Das finde ich grandios. Ich bin innerlich komplett ruhig, total konzentriert und journalistisch absolut gefordert. Solche Dramen live zu kommentieren, zählt zu den persönlichen Sternstunden eines jeden Sportjournalisten. Wo, wenn nicht hier, kann man das Feu sacré entflammen?»
Und so freuen wir uns weiter auf Spitzenleistungen in sämtlichen Disziplinen: von den Sportlerinnen und Sportlern auf dem Spielfeld, von «Berni» in der Kommentatorenkabine oder im Radiostudio.
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